Zehn Fragen an die

OB-Kandidatinnen und Kandidaten


 Schnüss, September 2004


 
 

Wo, denken Sie, liegen die dringlichsten Sorgen und Nöte der Bonner Bevölkerung?

Die Sorgen von Bonnerinnen und Bonnern unterscheiden sich meines Erachtens wenig von den Sorgen der meisten Menschen in Deutschland. Angesichts der Wirtschaftslage haben auch hier Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz, sie machen sich Gedanken um die Zukunft ihrer Kinder und ärgern sich über Politiker, die ihr Amt  missbrauchen, um sich zu bereichern, wie es hier in Bonn der  Ex-CDU-Chef Reiner Schreiber getan hat, oder über politische Entscheidungen, in denen über ihre Köpfe hinweg die Stadt weiter zubetoniert werden soll. 


 

Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der kommenden Hartz IV-Gesetzesregelung für die Kommune?

Da sich die Stadt Bonn für das sogenannte Optionsmodell beworben hat – d.h. sie organisiert alles alleine, von der Auszahlung des Arbeitslosengeld II bis hin zu Unterbringungskosten und Kinderbetreuung - ist das ein gewaltiger organisatorischer Kraftakt. Der problematischste Punkt wird absehbar die Sicherstellung ausreichender Plätze in der Kinderbetreuung sein, da wir bei den Angeboten für Kinder unter Drei mal gerade eine Versorgungsquote von 3% haben. Der Bund wird die Kommunen zwar mit 1,5 Milliarden  Euro beim Ausbau der Tagesbetreuung unterstützen, doch ich habe Zweifel, ob das reicht, um schnell die tatsächlich benötigten Tagesbetreuungsplätze schaffen zu können. Ganz besonders Frauen brauchen für ihre Kinder diese Angebote, um auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu haben.


 

Wie schätzen Sie die Situation Bonns jetzt zum Ende der Förderung nach dem Bonn-Berlin-Vertrag ein?

Bonn hat den Strukturwandel besser geschafft, als viele sich das vorgestellt haben. Das hat damit zu tun, dass wir mittlerweile UN-Organisationen hier haben und unser Profil als internationale Stadt immer deutlicher wird.  Doch wir müssen als Stadt noch viel mehr eigene Ressourcen zur Stärkung dieses Profils zur Verfügung stellen und genauer definieren, was unsere Ziele sind. Wir dürfen uns auf diesem Feld nicht immer nur auf die Bundesregierung verlassen. 


 

Die Kommunen sind hoch verschuldet, so auch Bonn. Wie wollen Sie den finanziellen Erfordernissen für Jugendarbeit, Bildung und Kultur künftig gerecht werden?

Die Ausgaben, die als sogenannte „freiwillige Ausgaben“ definiert sind, machen nur einen kleinen Teil des städtischen Haushalts aus und enthalten alles, was Prävention ausmacht. Auch in Zeiten leerer Kassen dürfen sie nicht zur Disposition gestellt werden. Wichtig ist allerdings, über Effektivität und neue Strukturen nachzudenken. Zum Beispiel haben wir zwar mittlerweile ein Familiendezernat, aber trotzdem immer noch zwei Ämter, Schulamt und Jugendamt, die „am selben Kind arbeiten“. Verrückt! Als Oberbürgermeisterin würde ich solche Strukturen umgehend verändern.


 

Welchen Stellenwert nimmt der Bereich „Bildung“, welchen der Bereich „Kultur“ in Ihrer Politik allgemein ein?

Seit Jahren liegen die Prioritäten der Bonner Grünen auf den Feldern Familie (Kinder, Jugend, Schule) und Internationales -  als dem Zukunftsprofil der Stadt. Unsere Enthüllungen im Bereich der Schadstoffbelastungen an Schulen und das Defizit in der Kinderbetreuung machen es unbedingt nötig, diese Prioritäten praktisch umzusetzen. 


 

Eine Mehrheit der Bevölkerung ist weder mit dem Reformkurs der Bundes-SPD, respektive der Koalition, noch mit den Vorschlägen der Bundes-CDU einverstanden. Inwieweit wollen/können Sie – nicht nur im Wahlkampf, sondern auch in der Politik nach der Wahl, auf kommunalpolitischer Ebene andere Akzente setzen als Ihre Bundespartei?

Die Grünen hier in Bonn haben in den letzten Jahren sehr viel Druck gemacht bei den Themen Kinderbetreuung, Schule und - natürlich bei dieser CDU nicht verwunderlich - Korruption. Darüber hat sich  unser eigenes Profil entwickelt . Jeder, der die Kommunalpolitik der letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, weiß, dass es keine andere Partei gab und gibt, die diese Anliegen so ernsthaft und – trotz Oppositionsrolle – so wirkungsvoll vertritt wie wir.


In Sachen „Bahnhofsvorplatz“ läuft ein Bürgerbegehren, angesichts der EU-Verfassung werden Rufe nach einer Volksabstimmung laut. Wie stehen Sie zu mehr Bürger/innenbeteiligung und wie könnte diese Ihrer Meinung nach aussehen?

Wir wollen mehr Bürgerinnenbeteiligung. Wir sind Mitinitiatoren des Bürgerbegehrens Bahnhofsvorplatz, das mittlerweile über 16.000 Unterschriften gesammelt hat. Überdeutlicher Ausdruck, dass die Menschen  die von CDU/SPD und FDP  favorisierten Pläne nicht wollen.. Als Oberbürgermeisterin werde ich dafür sorgen, dass sofort eine Neuplanung ausgeschrieben wird, die die Anliegen und Wünsche der BonnerInnen aufnimmt.

Wir waren in den letzten Jahren die Beratungsinstanz in Sachen Bürgerinnenbeteiligung. Unser Faltblatt: „Einmischen erwünscht““ mit den Hinweisen auf die Möglichkeiten der kommunalen Mitwirkunge war das am meisten gefragte.

 Erst mit sehr viel Druck von unserer Seite hat die Verwaltung eigene Publikationen erstellt, die die Einmischungsmöglichkeiten auf der kommunalen Ebene aufzeigen.


 

Die Wahlbeteiligung geht merklich zurück. Wo sehen Sie die Ursachen? Mit welchen Argumenten kann man nach Ihrer Einschätzung/ wollen Sie die Bürger, insbesondere Jungwählerinnen und –wähler, »an die Urne locken«?

Wir wollen niemanden an die Urne „locken“, sondern deutlich machen, dass es um Einflussnahme und Teilnahme an der Gestaltung unserer Stadt und der Gesellschaft geht. In diesem Zusammenhang ist BürgerInnenbeteiligung ein ganz entscheidendes Instrument gegen Politikverdrossenheit. Die Menschen müssen spüren, dass ihre Kompetenzen gebraucht werden, um die Probleme der Stadt lösen zu helfen, und dass nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.


 

Von der Bevölkerung wird – als arbeitsmarktpolitische Maßnahme – zunehmend »grenzenlose« Mobilität verlangt. Wer keinen festen Standort mehr hat, wird möglicherweise (nicht de jure, aber de facto) auch kommunalpolitisch entwurzelt. Sehen Sie in der »Binnenmigration« ein (Kommunalwahl-)Problem?

Ich sehe das Problem für Bonn nicht, was nicht heißt, dass es im Einzelfall solche Konsequenzen gibt. Aber selbst bei zunehmender „Binnenmigration“ müssen die Menschen bei Wahlen über unterschiedliche Politikstrategien entscheiden. Wer Politik als Einmischung und Teilhabe versteht, wird das auch weiter tun, wenn sich seine persönliche Situation verändert.


 

Wie werden Bonn und die Region Ihrer Meinung nach in zehn Jahren aussehen?

Bonn wird ein wichtiger Treffpunkt für Menschen aus der ganzen Welt sein, wo  Zukunftsfragen unseres Planeten diskutiert und Entscheidungen – z.B. der Vereinten Nationen – vorbereitet werden. Die Mehrheit der BonnerInnen hat keine Zweifel daran, dass nur Weltoffenheit und die Bereitschaft zum Zusammenleben mit Menschen unterschiedlichster Kulturen  unserer Stadt eine Perspektive weisen. Genauso sicher bin ich, dass Bonn wichtige Schritte gegangen sein wird auf dem Weg zur Agenda-Stadt, zu einer Stadt mit noch mehr Grün als heute, in der sich in aller Lebendigkeit Menschen beteiligen, ihre Stadt mit zu gestalten. Die „Hauptstadt der Solarindustrie“, auch wirtschaftlich prosperierend, mit einer breiten Palette von Arbeits- und Beschäftigungsangeboten, mit Schulen als Lebens- und Lernorten und einem vielfältigen Betreuungsangeboten für Kinder und Jugendliche.


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