KANDIDATEN IM GESPRÄCH

Personelle Stärkung fürs Internationale Bonn

Redaktionsgespräch mit Dorothee Paß-Weingartz, Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen 


Als zweite der vier Oberbürgermeister-Kandidaten der im Stadtrat vertretenen Ratsfraktionen stellte sich Dorothee Paß-Weingartz (Grüne) dem Redaktionsgespräch in der Rundschau.

Sie wissen, dass Sie keine Chance haben, Oberbürgermeisterin von Bonn zu werden. Warum kandidieren Sie trotzdem? Aus Prestigegründen?
Paß-Weingartz: Bei der Europawahl sind wir immerhin zweitstärkste Kraft geworden. Daran wollen wir anknüpfen. Wir haben Erfahrungen und personelle Angebote, und deswegen treten wir an. Wir wollen bewusst Inhalte der Grünen transportieren und unsere Eigenständigkeit zeigen. 


Was ist denn das Eigenständige der Grünen?
Paß-Weingartz: Das haben wir in den vergangenen fünf Jahren deutlich gezeigt - bei der Schul- und bei der Schadstoffdiskussion, beim Thema Internationales Bonn und bei den Korruptionsaffären, die unsere Fraktion aufgedeckt hat. Eigentlich waren wir die einzige Opposition - gegen eine CDU-Fraktion, die mit sich selbst beschäftigt und unfähig war, sich den Herausforderungen dieser Stadt zu stellen, aber auch gegen die SPD, die sehr oft in Richtung große Koalition tendierte und sich sehr, sehr farblos hinter der Oberbürgermeisterin versteckt hat. 


Trotz Ihrer Opposition ist die Politikverdrossenheit unter den Bürgern groß . . .
Paß-Weingartz: Die CDU hat die Politikverdrossenheit verstärkt, weil sie in Zusammenhang mit den Korruptionsaffären vertuscht und nicht aufgeklärt hat. Das muss man der CDU im Ganzen zum Vorwurf machen. 


Nun ist ja die Hauptfigur der Korruptionsskandale, der frühere CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Reiner Schreiber, schwer krank. Finden Sie es ethisch vertretbar, auf Ihren Wahlplakaten sein Konterfei abzudrucken, wie Sie es getan haben, bevor Sie sein Gesicht unkenntlich machen mussten?
Paß-Weingartz: Schreiber steht mit seinem Kopf für Korruption in Bonn. Er ist eine öffentliche Person, und er hat zugegeben, Millionen angenommen zu haben. Er ist von der Haft verschont worden, weil er schwer krank ist. Aber ich halte es für legitim, sein Gesicht zu zeigen. Was er jetzt macht, ist eine weitere Vertuschungsaktion im wahrsten Sinne des Wortes. 


Die Familienpolitik ist ein weiterer Schwerpunkt im Wahlkampf.
Paß-Weingartz: Das ist schon seit 1984 ein Schwerpunkt, und zwar in meiner Person. Ich halte es nicht für glaubwürdig, dass die Oberbürgermeister-Kandidatin der CDU, Pia Heckes, die Familie jetzt zu ihrem Aushängeschild erklärt. In Sachen Kinderbetreuung und Schadstoffsanierung von Schulen war die CDU ein Oberverhinderer. Jahrelang haben wir für Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren gestritten. Passiert ist nichts. Jetzt werden vier neue altersgemischte Gruppen eingerichtet, wie wir das schon lange fordern. Eine differenzierte Kinderbetreuung ist im Übrigen ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor. 


Elf Grundschulen haben eine Vereinbarung über die Offene Ganztagsschule (OGS) für das nächste Schuljahr unterschrieben. Es geht also doch voran, oder?
Paß-Weingartz: Die OGS ist ein gutes Modell, das aber begleitet werden muss. Die Oberbürgermeisterin und die Sozialdezernentin haben versprochen, dass ein OGS-Büro eingerichtet werden soll, aber nicht gesagt, wo und wann. Das führt bei vielen Elterninitiativen zu Frust. Ich glaube auch nicht, dass die OGS auf Dauer kostenneutral sein kann für die Kommunen, wie die OB das will. 


Womit wir bei den Finanzen wären. Wie kann Bonn sich aus der Schuldenfalle befreien?
Paß-Weingartz: Jedwedes Sparen im Bereich der freiwilligen Leistungen ist fehl am Platze, da es sich nur um marginale Beträge im Haushalt handelt. Eine Schließung von Schwimmbädern beispielsweise würde kaum zur Konsolidierung beitragen, die Lebensqualität aber wäre hin. Nötig ist vielmehr eine kommunale Finanzreform. Es darf beispielsweise nicht sein, dass sich große Konzerne gesund rechnen und keine Steuern zahlen. Das macht auch einen Teil der Politikverdrossenheit von Menschen aus. 


Da ist ja der Gesetzgeber gefragt. Was kann Bonn selbst tun?
Paß-Weingartz: Bei allen städtischen Leistungen sind Effizienzsteigerungen und Umstrukturierungen nötig. Wir hatten uns mit der Schaffung eines Familiendezernates eine Straffung erhofft, passiert ist aber nichts. Der Kämmerer versucht zurzeit, ein neues Kreditmanagement auf die Beine zu stellen. Vielleicht bringt das auch was. 


Zu den umstrittensten Themen in Bonn gehört die Bebauung des Bahnhofsvorplatzes. Warum sind Sie gegen die vorgelegte Planung und machen beim Bürgerbegehren mit?
Paß-Weingartz: Das ist eine Schlussfolgerung unserer Position. Wir wollen den Busbahnhof, den Platzcharakter und die Wache GABI erhalten; alle Verkehrsarten sollen gleichberechtigt vor dem Busbahnhof sein. 


Also alles beim Alten lassen?
Paß-Weingartz: Nein, aber da muss ich doch mal zurückfragen, warum wir uns allein den Vorstellungen dieses Investors unterwerfen sollen. Mehr als 16 000 Menschen sind mit den bisher vorgelegten Plänen nicht einverstanden. Allein eine große Koalition aus CDU/ FDP und SPD und auch die Oberbürgermeisterin sind für die vorgelegten Pläne. 


Das Bonner Loch kann aber nicht bleiben, wie es ist . . .
Paß-Weingartz: Es wäre schön, wenn die Befürworter der Pläne auch mal ihre Vorstellungen zur Zukunft der Menschen im Bonner Loch geäußert hätten. Wenn ich Oberbürgermeisterin von Bonn wäre, würde ich die Pläne von Brune/ Concepta ad acta legen und eine Neuausschreibung veranlassen. Wer BürgerInnenbeteiligung ernst nimmt, der muss das tun. 


Das Internationale Bonn gehört auch zu den Themen, die die Grünen sich auf die Fahnen schreiben . . .
Paß-Weingartz: Die weitere Entwicklung der UN-Stadt Bonn mit dem von Minister Jürgen Trittin geprägten Begriff "UN-Campus" ist ein zentrales Anliegen der Grünen. Dazu gehört als Eckpfeiler das Internationale Kongresszentrum. Aber wir brauchen auch eigene kommunale Anstrengungen, zum Beispiel den Erhalt des Internationalen Frauenzentrums.


Was zeichnet eine internationale Stadt denn aus?
Paß-Weingartz: Bonn muss zu einem Zentrum werden, in dem Zukunftsfragen der Menschheit diskutiert werden. Die UN-Konferenz zu den erneuerbaren Energien oder zum Klimaschutz waren und werden wichtige Punkte sein. Aber die Stadt selbst muss mehr tun, um als zukunftsfähige und internationale Kommune Beispielcharakter für andere Städte zu haben. Wir brauchen ganz dringend eine personelle Stärkung und den Ausbau des Bereichs Internationales bei der Stadt Bonn. 


Bonner Rundschau, 24.8.2004
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