Sehr geehrte Frau Pass-Weingartz,
als langjähriger Anhänger und sogenannter "Stammwähler" der "Grünen" möchte ich mich heute an Sie, wie auch an Ihre Parteifreunde im Rat der Stadt Bonn, wenden in einer Angelegenheit, die mich persönlich sehr berührt und von der ich glaube, daß sie die Glaubwürdigkeit ihrer Partei in Bonn und Umgebung nachhaltig erschüttern könnte. Persönlich berührt bin ich deshalb, weil ich ein schlechtes Gewissen habe, denn ich habe durch mein Wahlverhalten letztlich indirekt und gegen meinen Willen ein Projekt gefördert, das ich aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes in der derzeit geplanten Form strikt ablehnen muß.
Sie wissen es besser und detaillierter als ich: die Post AG beabsichtigt, in Bonn in der Rheinaue also in schönster Parklage, ein Verwaltungshochhaus zu bauen, das den Kölner Dom hinsichtlich der Höhe zur Dorfkirche degradieren will. Jedem Einsichtigen ist klar: dieses Projekt wird den Rheinauenpark und das Rheinpanorama unwiederbringlich zerstören. Dabei ist der Post-Wolkenkratzer nur ein Anfang. Wie will die Stadt Bonn den Bau weiterer, mehr oder weniger hohen Verwaltungsgebäude verhindern, wenn erst einmal ein unübersehbarer Präzedenzfall geschaffen worden ist ? Man muß kein Prophet sein um vorherzusagen, daß die Rheinaue von Beton überwuchert und von einem Bürgerpark zu einem Betonpark für kapitalstarke Monopolisten umfunktioniert werden wird. Nachhaltig gefördert wird diese Naturzerstörung leider von der SPD, allen voran die Oberbürgermeisterin Frau Dieckmann, aus deren Sicht die Natur wohl nur noch die Funktion einer Baulandreserve für überflüssige, aber repräsentative Prunk-, Pracht- und Protzbauten hat.
Zu meinem großen Bedauern muß nun ich sagen, daß ich die Rolle der Grünen im Bonner Stadtrat hinsichtlich dieses Projektes, ich darf es kraß ausdrücken, jämmerlich finde. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß die Grünen im Bonner Stadtrat ebenfalls die Zerstörung der Rheinaue befürworten und sich damit wohl endgültig vom Gedanken des Landschafts- und Umweltschutzes verabschiedet haben. Die Ausrede eines ihrer Kollegen, man müsse doch auch an die Arbeitsplätze denken, ist lächerlich. Schließlich sind die Arbeitsplätze doch nicht vom Standort des Hochhauses in Bonn abhängig. Warum kann das Post-Hochhaus nicht an einer anderen Stelle in Bonn , es gibt derer genügend, gebaut werden, wo es nicht eine derart natur- und landschaftszerstörende Wirkung entfaltet ? Diese Frage hat bisher noch keiner ihrer Kollegen wahrheitsgetreu beantwortet. Eine wahrheitsgetreue Antwort wäre wohl auch zu peinlich: ein anderer Bauplatz entspricht nicht dem Prestige- und Renommierbedürfnis der Post AG, die durch einen Wolkenkratzer an absolut unübersehbarer Stelle ihre Größe, Macht und Herrlichkeit der Welt kundtun will. Die Zerstörung einer stadtnahen Erholungslandschaft und eines einmaligen Landschaftbildes wird dafür seitens der Post AG und leider auch, so ist mein Eindruck, von den Stadtverordneten der Grünen im Bonner Stadtrat, bedenkenlos akzeptiert.
Es ist diese Haltung der Grünen die mich, als langjährigen Sympathisanten der Bewegung nachhaltig stört. Muß man denn widerstandslos den ausschließlich vom Prestigebedürfnis getragenen Wünschen, um nicht zu sagen dem Diktat, eines großen Investors nachgeben ohne jeden wirtschaftlich einsehbaren Grund und ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt ? Muß denn die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN alle bisherige Programmaussagen vergessen und zu einer Partei werden, die letzlich nur noch das ausführende Organ von Vorstandsbeschlüssen eines Großunternehmens darstellt ? Gibt es denn keine Möglichkeit, durch eine Verweigerung der Zustimmung zum Bau des Post-Turms in der Rheinaue die Post zu veranlassen, ihr Verwaltungshochhaus an einer anderen, landschaftlich weniger exponierten Stelle in Bonn zu bauen und dadurch die Rheinaue zu retten ? Müssen denn die Bonner Bürger wirklich befürchten, daß alle diesbezüglichen Bemühungen gegenüber der Vereinigung von Kapitalmacht der Post AG und der politischen Macht der Mehrheitsfraktionen im Bonner Stadtrat von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vergeblich sein werden ? Bleibt denn wirklich angesichts der kommenden Umwandlung der Rheinaue in "Rheinhattan" nur noch die Möglichkeit zu der resignierten Aussage :"Das ist das Ergebnis, wenn man die Grünen wählt" ?
Denoch habe ich immer noch eine ganz kleine, ganz schwache Hoffnung, daß sich die Rheinaue doch noch retten läßt. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie daran mitwirken würden, daß diese kleine, schwache Hoffnung wider alle "Realpolitik" doch noch Wirklichkeit werden könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Gilles