Auf den Spuren Goethes - von Innsbruck über den Brenner zum Gardasee
Es war nicht früh um drei Uhr, auch nicht im September 1786, sondern Pfingsten 2004. Und ich stahl mich nicht aus Bonn, sondern verabschiedete mich irgendwann zwischen sechs und sieben von den Liebsten, sofern sie sich nicht sowieso - wie die beiden Söhne Tim und Jan, dazu Habib, ein Freund von Tim - mit mir auf den Weg machten. Wir fuhren nicht mit einer Postchaise, sondern mit einem unter den Lasten ächzenden Opel-Astra - im Gepäck etwas mehr als Mantelsack und Dachsranzen: unsere vier Räder und eine Campingausrüstung. Das Ziel war Innsbruck. Von dort wollten wir über den Brenner (1374 m) zum Gardasee fahren. Ob die obern Wolken an diesem Morgen streifig und wollig, die untern schwer waren, weiß ich nicht mehr.
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Ich saß nicht lange, so kamen verschiedene Menschen in den Hof herein, betrachteten mich und gingen hin und wider. Die Menge vermehrte sich, blieb endlich stehen, so daß sie mich zuletzt umgab. Ich bemerkte wohl, daß mein Zeichnen Aufsehen erregt hatte, ich ließ mich aber nicht stören und fuhr ganz gelassen fort. Endlich drängte sich ein Mann zu mir, nicht von dem besten Ansehen, und fragte, was ich da mache. Ich erwiderte ihm, daß ich den alten Turm abzeichne, um mir ein Andenken von Malcesine zu erhalten. Er sagte darauf, es sei dies nicht erlaubt, und ich sollte es unterlassen. Da er dieses in gemeiner venezianischer Sprache sagte, so daß ich ihn wirklich kaum verstand, so erwiderte ich ihm, daß ich ihn nicht verstehe. Er ergriff darauf mit wahrer italienischer Gelassenheit mein Blatt, zerriß es, ließ es aber auf der Pappe liegen. |
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i(m) Sept(tember) 1786 die Burg" |
Johann Wolfgang Goethe: Italienische Reise |
Die Route über den "alten" Brennerpass
Nach Italien! Wunderbar! Mit dem Rad! Noch besser! Warum aber über den Brenner? Da ist doch nichts als Autobahn!Wer als Radfahrer eine Überquerung der Alpen plant, wird feststellen, dass die empfohlenen und ausgeschilderten Radwege um den Brenner einen weiten Bogen machen. In Wien ist offensichtlich bisher noch niemand auf die Idee gekommen, Goethe zu vermarkten oder es erscheint den Leuten im österreichischen Verkehrsministerium ein solches Unterfangen von vornherein aussichtslos. Vielleicht liegt es ja daran, dass Goethe keine allzu große Lust hatte, lange in Österreich zu verweilen...
Die Kritiker der Brennerroute haben in vielerlei Hinsicht Recht und auch für Sohn Tim, der diese Strecke mit unserer vorjährigen in der Schweiz über den San Bernardino verglich, ist das Urteil klar: die Schweizer Strecke über die Alpen ist "tausendmal schöner" (und schwerer und steiler...)! Der Blick auf die landschaftlichen Schönheiten wird an vielen Stellen von der Autobahn verstellt. Herausforderungen für den Radfahrer ( lange, schwere Steigungen) gibt es nicht - stattdessen geht es 30 Kilometer mehr oder weniger kontinuierlich bergauf. Nur auf kurzen Stücken wird es steiler. Dazu kommt, dass an einem solchen Wochenende wie dem Pfingstenwochenende, an dem wir auf dem Brenner waren, Radfahrer von schier endlosen Kolonnen von Motorradfahrern geplagt werden. Warum die lieber über die alte Brennerstraße brettern, als über die Autobahn, ist mir ein Rätsel. An den paar Euro, die die Maut auf der Autobahn beträgt, kann es nicht liegen und von der Landschaft zwischen Innsbruck und Sterzing kriegen sie auf ihren donnernden Kisten ganz bestimmt nichts mit.
Trotz der beschriebenen Widrigkeiten hat mir es gefallen, nach den Spuren einer Reise über die Alpen zu suchen, die vor mehr als 200 Jahren stattgefunden hat und Goethes Eindrücke mit meinen eigenen zu vergleichen. Ich sehe es nicht ein, eine solche Route motorisierten Plagegeistern zu überlassen, die die Strecke als Rennstrecke über die Alpen nutzen. Zumindest auf italienischer Seite ist ein Brenner-Radweg geplant - im Eisack-Tal auch im Bau. Warum sollten nicht auch die Österreicher auf die Idee kommen, für Radfahrer zwischen Innsbruck und Südtirol etwas zu tun, indem sie den Radweg auf ihrer Seite weiter bauen und die alte Brennerstraße für Motorradfahrer sperren?
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