Monolith oder Diamant?

Sponsoren präsentierten Architekten-Entwürfe
für neues „Festspielhaus Beethoven“ in Bonn



Vom 31.1.2009 bis zum 15. Februar 2009 waren  in der Lounge des Bonner Posttowers die Entwürfe für ein neues „Festspielhaus Beethoven“ am Rhein zu sehen. Besucher konnten sich mit Hilfe von Plänen, Modellen und Animationen ein Bild von zehn Modellen machen.

Das Projekt selbst ist mittlerweile zwei Jahre alt. Im Frühjahr 2007 taten sich die drei in Bonn beheimateten DAX-Unternehmen Deutsche Telekom, Deutsche Post und Postbank zusammen und signalisierten, sie wären bereit, „der Stadt und ihren Bürgern“ ein neues Festspielhaus zu schenken. Der Rat der Stadt Bonn griff zu und fasste am 13. Juni 2007 mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP einen Grundsatzbeschluss, in dem die Verwaltung beauftragt wurde, „Gespräche und Verhandlungen mit den am Projekt ‚Festspielhaus Beethoven’ Beteiligten zu intensivieren, das Konzept für das ‚Festspielhaus Beethoven’ weiterzuentwickeln und auf dieser Grundlage die Errichtung eines hochkarätigen Konzerthauses in Bonn vorzubereiten.“

Sponsoren und Stadt einigten sich in den darauf folgenden Monaten auf Grunddaten: 75 Mio. darf der Bau kosten und die Folgekosten des Projektes, sprich die nach der Errichtung entstehenden ungedeckten Betriebskosten, trägt die Stadt.

Keine zusätzlichen Belastungen

Haken an der Sache gibt es keine – zumindest wenn den Erklärungen der Sponsoren und Vertretern der Stadt, ganz besonders der Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD), zu glauben ist. Für eine Deckelung der Baukosten versprechen die Sponsoren zu sorgen und die Stadt Bonn, hoch verschuldet und seit Jahren im Kulturbereich auf rigidem Sparkurs, erklärt in ihrem Grundsatzbeschluss, „dass das Ziel, keine zusätzlichen Belastungen für den städtischen Haushalt zu veranlassen, möglichst erreicht wird.“

Auch einen Platz für das Haus hat die Stadt zu bieten: das Terrain, auf dem sich die Beethovenhalle befindet. 50 Jahre wird die in diesem Jahr alt. Seit 1990 steht die Konzerthalle unter Denkmalschutz und vor 13  Jahren wurde sie für 22,6 Mio.DM saniert. In ihrem Großen Saal finden 2000 Besucher Platz - beispielsweise bei Konzerten des Beethovenfestes, bei dem Jahr für Jahr die besten klassischen Orchester und Solisten der ganzen Welt auftreten.


Beethovenhalle

Fragt sich, warum Bonn eine neue Konzerthalle braucht. Antwort der Sponsoren: die Beethovenhalle „entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an eine erstklassige Akustik und ist auch von ihrer Funktionalität her nicht auf einem modernen Stand“. Muss aber deshalb die Beethovenhalle abgerissen werden?

An einen Abriss der Halle dachte auch der Rat der Stadt Bonn nicht – zumindest nicht zu dem Zeitpunkt, als er den Grundsatzbeschluss fasste. „Zwingend ist eine gelungene Verknüpfung von Alt- und Neubebauung,“ heißt es in der Anlage zum Grundsatzbeschluss, die den Titel „Festspielhaus Beethoven - Städtebauliche Rahmenbedingungen und Vorgaben“ trägt. Das lässt sich nur so verstehen, dass das projektierte neue Haus neben die bestehende Beethovenhalle gebaut werden sollte.

Einen Sinneswandel kündigte im April 2008  die Oberbürgermeisterin an. Sie setze sich nun für eine „integrative Lösung“ ein, erklärte sie in der lokalen Presse. Eine neues Haus neben der Halle sei mit 75 Mio. € nicht zu bekommen. Danach sollten Außenansicht und Dach der Beethovenhalle „weitgehend erhalten bleiben“, der Innenraum aber völlig umgebaut werden. Die Sponsoren würden ebenfalls zu dieser Lösung tendieren. Behauptete Frau Dieckmann.

Hochkarätiges Haus

Seit dem Grundsatzbeschluss und dem Händedruck zwischen Oberbürgermeisterin und Sponsoren wird in Bonn gerechnet, ob ein „hochkarätiges Haus“, das „sowohl architektonisch als auch akustisch Weltniveau hat“, für 75 Mio. € zu bauen ist. Zweifel rechtfertigt ein Blick nach Hamburg. Dort wird zur Zeit ein „hochkarätiges“ Haus gebaut, die „Elbphilharmonie“. Deren Baukosten wurden vor fünf Jahren mit 150 Mio. € angesetzt, mittlerweile werden sie auf 450 Mio. € geschätzt.

Die Höhe der Baukosten ist aber nicht die einzige Unbekannte im Zusammenhang mit dem geplanten Festspielhaus. Der städtische Haushalt soll, nachdem das neue Haus seinen Spielbetrieb aufgenommen hat, nicht belastet werden – heißt es in dem Grundsatzbeschluss. Was bedeutet das? Wie viel Veranstaltungen im Jahr, mit wie vielen Besuchern müssen stattfinden, damit die Betriebskosten gedeckt werden? Wie viele müssen auch ausverkauft sein? Gar nicht so leicht, darauf eine Antwort zu finden. Erst recht nicht vor dem Hintergrund der Konkurrenz der Konzerthäuser im Umland. Die gibt es nicht nur in Köln, sondern auch in Essen und Dortmund. Als Lösung präsentieren Stadt und Sponsoren eine Stiftung. Die soll in Kürze gegründet werden und aus ihren Zinseinnahmen sollen mögliche, um nicht zu sagen absehbare Finanzlöcher gestopft werden, die daraus entstehen, dass der geplante Ticketverkauf, Mieteinnahmen und Zuschüsse nicht reichen, um den Etat des Festspielhauses zu decken.

Geld für die Stiftung ist mittlerweile da: der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages bewilligte 39 Millionen €, weitere 8 Mio. € wurden von anderer Seite zugesagt. Die jährlichen Zinseinnahmen einer so ausgestatteten Stiftung bewegen sich etwa in Höhe von 2  Mio. €. Absehbare Finanzlöcher lassen sich damit nicht schließen. Bleibt dann eben doch der städtische Haushalt. Dessen regelmäßigen Zuschüsse für das Festspielhaus setzt denn auch der von den Sponsoren mit der inhaltlichen Planung beauftragte Karsten Witt in seinem „Konzept für das Festspielhaus Beethoven in Bonn“ auf jährlich 3,8 Mio. € fest. Viermal soviel wie das, was die Stadt an Betriebskostenzuschuss für die Beethovenhalle zahlt.

Haus mit Weltniveau

Mitte Oktober 2008 nannte die Post AG elf internationale Architekturbüros, die mit Entwürfen für den Bau des Festspielhauses beauftragt worden waren. Drei „Leitlinien“ galten für sie: das neue Haus soll sowohl architektonisch als auch akustisch „Weltniveau“ haben und das Investitionsvolumen beträgt 75 Mio. €. Als „Option“ hatten sie, die Beethovenhalle einzubeziehen oder aber – trotz und entgegen anderslautenden „städtebaulichen Rahmenbedingungen und Vorgaben“ - abzureißen.

Bis auf Norman Forster legten alle eingeladenen Architekturbüros Beiträge für das Auswahlverfahren vor, darunter Richard Meier, Murphy/Jahn, David Chipperfield, Antonio Citterio und Zaha Hadid. Vier von ihnen hielten sich an die städtischen Vorgaben. Die anderen sechs nicht.

Nach einer zweitägigen „Expertenanhörung“ in Bonn luden die Sponsoren am 31.1.2009 zu einer Vorstellung der ausgewählten Entwürfe, die nun in eine „zweite Planungsphase“ gehen und „präzisiert“ werden sollen. Im März 2009 steht die endgültige Entscheidung an. Die geladenen Experten spielten bei dieser Vorentscheidung die Rolle von Ratgebern. Die „Vorauswahl“ selbst lag bei den Sponsoren. Eine Beteiligung der Bonner Bürger gab es nicht und soll es auch nach dem Willen der Sponsoren nicht geben. Ebenfalls nicht beteiligt Vertreter der Stadt.

Von den Sponsoren ausgewählt wurden die Entwürfe von Hermann Valentiny and Partners, Arata Isozaki, Zaha Hadid und Richard Meier. Alle vier gehören zu den Architekten, deren Entwürfe den Abriss der Beethovenhalle verlangen. Die in den Plänen dieser vier Architekten vorgesehenen großen Säle gehen von einem Fassungsvermögen zwischen 1500 und 1700 Besuchern aus. An das Investitionsvolumen in Höhe von 75 Mio. € hat sich keiner gehalten – deshalb, so die Post, bestehe der Wunsch nach einer „Überarbeitung“ und „Präzisierung“ der Entwürfe.


Entwurf von Schuster & Schuster

Damit die Vorauswahl das gewünschte Echo bekommen sollte, präsentierten die Sponsoren am 31.1.2009 eine Broschüre zu dem Architekturwettbewerb, deren Bilder und (leicht gekürzte) Texte der Bonner General –Anzeiger am selben Tag in seinem Feuilleton verbreitete. Fern jeder sachlichen Darstellung werden die zehn Entwürfe vorgestellt. David Chipperfields Entwurf, der den Erhalt der bestehenden Halle vorsieht, erhält den Titel „Kolonnaden“ und Antonio Citterios „integrativer“ Entwurf ist für die Sponsoren ein „Monolith“. Ganz anders die ausgewählten Entwürfe. Da sind die „Wellen“ von Hermann &Valentiny, der „Rhein-Kristall“ von Arata Isozaki und schließlich der „Diamant“ von Zaha Hadid.


Entwurf von Zaha Hadid

Monolith oder Diamant? Bei einer solchen Alternative fällt die Wahl nicht schwer. Wer will schon einen Bau, bei dem sich „die Kuppel (der bestehenden Halle) fast monolithisch über dem Gelände“ erhebt (O-Ton Sponsoren/General-Anzeiger), während ihm gleichzeitig ein „Solitär“ als Geschenk angeboten wird, der durch seine Form und ungewöhnliche Hülle ins Auge sticht“ (ebenfalls O-Ton)?

Kühne Gestalt und Vision

Das Echo kam prompt. „Weltarchitektur fürs Beethovenfest“ titelte eine Zeitung, für eine andere nimmt das Festspielhaus „kühne Gestalt“ an und alles geschieht „In tiefster Verehrung für Beethoven“. Besonders eilig hatte es der wdr mit einer Meldung über die Zukunft der bestehenden Halle. „Beethovenhalle wird für neues Festspielhaus abgerissen“, hieß es schon am Tag der Präsentation der Entwürfe auf den wdr-Online-Seiten. Kein Einspruch von Seiten der Bonner Oberbürgermeisterin - stattdessen: "Dies (die Präsentation der vier ausgewählten Entwürfe) ist ein wichtiger Schritt, der uns der Realisierung einer Vision wieder nähergebracht hat".

Ganz anders die Reaktionen auf den Leserbriefseiten. Dort fand die Entscheidung der Sponsoren ein durchaus geteiltes Echo. „Bonn braucht Marken, Monumente und Mut“, meinte ein Leserbriefschreiber. „Es ist doch phantastisch“, fuhr er fort, „was international renommierte Architekten Bonn zutrauen.“ „Monströs“ nannte ein anderer den Entwurf, den die Sponsoren „Wellen“ titulieren. Und eine Leserbriefschreiberin gab zu, dass ein Abriss der Beethovenhalle sie „sehr traurig“ machen würde.

Gegen einen Abriss der Beethovenhalle sprach sich auch Landeskonservator Professor Udo Mainzer in einem Interview mit dem General-Anzeiger Bonn am 13.2.2009 aus.  Zu der notwendigen Verbesserung in Funktionalität und Akustik der Halle meinte er: „… All das könnte man innerhalb der bestehenden Hülle verbessern. Bonn kann gerne eine Festspielhaus bekommen, aber nicht auf Kosten des Denkmals.“

„Traut nicht dem Pferde, Trojaner!“ warnte Laokoon vor 2500 Jahren. „Was immer es ist, ich fürcht' die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.“ Die Trojaner hörten nicht auf seine Warnung. Vielleicht sind die BonnerInnen inzwischen schlauer.

Hans Weingartz (26.2.2009)


in gekürzter Form erschienen in rheinraum-online.de  am 13.2.2009


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